Neues zum Dieselskandal und Thermofenster:

Sie werden es der Presse vielleicht bereits entnommen haben: am 20.02.23 hat das Verwaltungsgericht Schleswig ein überraschendes und möglicherweise wegweisendes Urteil in Zusammenhang mit dem sogenannten Thermofenster gefällt.

1.Freigabebescheid des Kraftfahrtbundesamtes für ein VW-Update zum Motortyp EA 189 als unzulässig eingestuft.

Diesmal richtet sich das Urteil nicht direkt gegen einen der betroffenen Autohersteller, sondern gegen das Kraftfahrtbundesamt. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat den Freigabebescheid des Kraftfahrtbundesamtes für ein VW-Update zum Motortyp EA 189 als unzulässig eingestuft. Das Update betraf unter anderem die Thermofenster Problematik.

Bei einem Thermofenster wird die Abgasreinigung bei Außentemperaturen unter 10 Grad abgestellt, womit Grenzwerte für saubere Luft überschritten würden. VW hat unter anderem in den Jahren 2008 und 2009 für 2.0 Liter-Motoren des VW Golf und Touran diese Abschalteinrichtung verwendet. Die Richter des Verwaltungsgerichts Schleswig halten diese Abschalteinrichtung, also das Thermofenster, für rechtswidrig. Die Richter des VG Schleswig folgten damit der engen Auslegung des EuGH und verneinten bereits die Frage, ob Abschalteinrichtungen notwendig seien. In der Begründung führen die Richter aus, dass der EuGH mit dem Begriff „Motor“ nur die Kraftmaschine an sich erfasst. Andere Bauteile seien nur relevant, wenn von deren Beschädigung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfällen ausgehen und dies dann auch noch unmittelbare Bedrohung für die Betriebssicherheit beinhalte. Nach Auffassung der Richter des VG Schleswig bestehe eine solche Gefahr allerdings nicht.

2. Welche Auswirkungen kann dieses Urteil jetzt haben?

Das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig. Es ist damit zu rechnen, dass das KBA Berufung einlegen wird. Möglich wäre auch eine Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht, wodurch die Rechtsfrage schneller höchst richterlich geklärt werden könnte.

Zunächst einmal hat die Entscheidung des VG Schleswig verwaltungsrechtlichen Charakter und keinen direkten zivilrechtlichen, weil es sich um das Verwaltungsgericht handelt und nicht um ein Zivilgericht.

Rein praktisch würde es aber, wenn es rechtskräftig würde, sowohl verwaltungsrechtliche Folgen mit sich ziehen, nämlich eine mögliche große Rückrufaktion von Diesel-Fahrzeugen, im Extremfall sogar deren Stilllegung. Dazu muss man wissen, dass die hier besprochene Entscheidung sich nur auf den Motor EA 189 von VW bezieht. Sollte sie rechtskräftig werden, könnte sie aber faktisch auch andere VW-Modelltypen sowie Audi, Seat und Skoda, ggfls. auch Mercedes und/oder Peugeot betreffen, also alle Autohersteller, die diese Abschalteinrichtung – Thermofenster – eingebaut haben. Das wird nicht von Heute auf Morgen sofort geschehen, so dass Sie als Diesel-Fahrer jetzt nicht in Panik ausbrechen müssen. Es ist aber in den nächsten Monaten eine sehr dynamische Entwicklung zu erwarten, die es mit sich bringt, dass Sie auch frühzeitig anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen sollten.

Es ist auch damit zu rechnen, dass die deutsche Umwelthilfe, die UH, nach dem jetzigen gewonnen Urteil weitere Anfechtungsklagen gegen Bescheides des KBA einreichen wird, die vermutlich dann auch andere Autohersteller betreffen. Soweit man dies der Presse entnehmen konnte, will die UH erreichen, dass die Hersteller die Fahrzeuge mit Hardware nachrüsten. Ebenfalls aus der Presse konnte bisher entnommen werden, dass sowohl das Verkehrsministerium, als auch das KBA zunächst noch die Urteilsgründe des hier besprochenen Urteils abwarten wollen und dann das weitere Vorgehen prüfen wollen.

Sollte es im Rahmen eines Revisionsverfahrens dabei bleiben, dass die Freigabebescheide des KBA keinen Bestand haben, wäre vermutlich mit einer sehr großen Rückrufwelle, ähnlich der im VW-Diesel-Skandal in den Jahren 2016/2017, zu rechnen.

3. Stilllegung von Dieselautos?

Nach unserer Einschätzung und auch nach der des ADAC ist aber mit einer sehr kurzfristigen Rückrufreaktion oder Stilllegung der betroffenen Fahrzeuge nicht zu rechnen

 

Sicher ist, dass die Kfz grundsätzlich auch mit einer manipulierten Abgas-Software verkehrssicher sind, so dass übereiltes Handeln bzw. die Vereinbarung von Werkstattterminen sofort nicht zwingend notwendig ist.

4.Europäische Gerichtshof hat für den 21.03.2023 eine weitere Grundsatzentscheidung angekündigt.

Die Dynamik, die in die gesamte Diesel-Skandal-Problematik noch einmal kommen wird, ist auch darin begründet, dass der Europäische Gerichtshof für den 21.03.2023 eine weitere Grundsatzentscheidung angekündigt hat im Verfahren – Rantos III -.

Wir warten gespannt auf dieses Urteil, denn dieses könnte erhebliche Folgen haben.

In diesem Verfahren vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass die Verletzung von Abgasvorschriften bereits eine Verpflichtung zum Schadenersatz wegen Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB mit sich bringt. Sollte der EuGH diese Auffassung des Generalanwalts teilen, müssten Autohersteller nicht mehr vorsätzlich sittenwidrig gehandelt haben, sondern nur fahrlässig, um schadenersatzpflichtig zu werden.

Das könnte eine neue Klagewelle auslösen.

 

Wir werden Sie unmittelbar, sobald das Ergebnis dieses Verfahrens bekannt ist, in diesem Blog darüber unterrichten.

  1. Bundesgerichtshof hat Grundsatzentscheidung für den 08.5.2023 angekündigt.

Der Bundesgerichtshof hat mittlerweile in Erwartung dieser EuGH-Entscheidung eine Grundsatzentscheidung angekündigt für den 08.05.2023, ebenfalls zu der Frage des sogenannten Thermofensters.

 

Verfolgen Sie gerne weiterhin unseren Blog auf unserer Seite, wir werden Sie über die neuesten Entwicklungen im Diesel-Skandal auf dem Laufenden halten und beraten Sie gerne im Einzelfall.

 

Pia Kappus                       Michael Borik

Fachanwältin für             Fachanwalt für

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