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Bundesarbeitsgericht bestätigt fristlose Kündigung bei Täuschung über Impf-(Un)-fähigkeit

Das Bundesarbeitsgericht hat am 14.12.2023 in zwei Parallelentscheidungen vom selben Tag (2 AZR 55/23; 2 AZR 66/23) klargestellt, dass eine aktive – wenn auch nur versuchte – Täuschung  des Arbeitgebers grundsätzlich schwerwiegend genug sein kann, um eine Abmahnung entbehrlich zu machen und arbeitgeberseits sogleich fristlos zu kündigen.

Beiden Entscheidungen lagen Sachverhalte aus der Covid- Zeit zu Grunde.  Die jeweiligen Kläger hatten Impfunfähigkeitsbescheinigungen eines vermeintlichen Arztes vorgelegt, den es letztlich nie gegeben hat. Die Kläger hatten sich im Internet, gegen Zahlung eines bestimmten Betrages, von einer -vermeintlichen – Ärztin unterschriebene Atteste besorgt, die ihnen eine vorläufige Impfunfähigkeit bescheinigt hatte. Allerdings hatte es nie einen persönliche Kontakt zu dieser vermeintlichen Ärztin gegeben. In der Bescheinigung hieß es, dass „dieser Patient“ aufgrund der ärztlichen Einschätzung und Bewertung seiner Angaben vor einer Impfung mit Covid19-Impfstoffen von einem Facharzt für Allergologie überprüft werden müsse. Bis zum Vorliegen eines Impfstoffallergiegutachtens sei „der Patient“ zeitlich begrenzt impfunfähig und es bestehe die Gefahr, dass „der Patient“ durch eine Impfung schwere, gegebenenfalls sogar tödliche Nebenwirkungen davontragen könnte.

In den Gerichtsprozessen hatten die Kläger sich dann auf den Standpunkt gestellt, die von Ihnen vorgelegten Bescheinigungen attestierten ersichtlich keinen individuellen Gesundheitszustand, sondern würden die allgemeine Auffassung der ausstellenden Ärztin wiedergeben, dass jede Person vor einer Impfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 allergologisch untersucht werden müsse. Es stellte sich aber letztlich heraus, dass es die vermeintliche Ärztin gar nicht gab.

Die vom Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigungen sind letztinstanzlich rechtskräftig vom Bundesarbeitsgericht in den oben genannten Entscheidungen als wirksam bestätigt worden. Ein Arbeitgeber müsse eine solche Pflichtverletzung auch nicht einmalig hinnehmen und könne ohne Abmahnung fristlos kündigen.

Fazit:

  • Grundsätzlich ist es für Arbeitgeber sehr schwierig fristlose Kündigungen rechtswirksam auszusprechen.
  • Die Anforderungen und Hürden an eine fristlose Kündigung sind, zum Schutze des Arbeitnehmers sehr hoch.
  • Fristlose Kündigungen werden von Arbeitsgerichten in aller Regel überhaupt nur dann als wirksam angesehen, wenn der arbeitsvertragliche Verstoß des Arbeitnehmers so gravierend ist, dass es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist mit dem Arbeitnehmer auch nur einen weiteren längeren Tag zusammenzuarbeiten und schon gar nicht die normale fristgemäße Kündigungsfrist abzuwarten.
  • Nach den neueren oben zitierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist klar, dass sich Arbeitgeber Täuschungen und schwerwiegende Vertrauensbrüche nicht bieten lassen müssen. Wer seinen Arbeitgeber bewusst anlügt, um eine arbeitsrechtlich angeordnete Maßnahme wie im vorliegenden Fall die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu umgehen, muss keinen Warnschuss durch den Arbeitgeber mehr bekommen. Vielmehr darf der Arbeitgeber sogleich kündigen.
  • Arbeitgeber sollten dabei zunächst anwaltlichen Rat einholen, ob eine Abmahnung zuvor erforderlich ist oder die fristlose Kündigung sogleich erfolgen kann. Das ist besonders wichtig, weil arbeitsvertragliche Verstöße, die abgemahnt werden, dann nicht noch einmal herangezogen werden können für eine Kündigung.
  • Mahnt der Arbeitgeber einen bestimmten Sachverhalt ab, obwohl er auf diesen Sachverhalt eine Kündigung hätte stützen können, muss der Arbeitgeber auf den nächsten schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Verstoß oder Vertrauensbruch warten.
  • Kündigungen können nicht auf bereits abgemahnte Sachverhalte gestützt werden.
  •  Es ist es besonders wichtig, dass zusätzlich zur fristlosen Kündigung auch immer die hilfsweise fristgemäße Kündigung   seitens des Arbeitsgebers ausgesprochen wird.
  • Anwaltlicher Rat ist für den Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich zu empfehlen, vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist er unabdingbar.
  •  Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts zeigen aber auch, dass fristlose Kündigungen durchaus im Einzelfall auch durch den Arbeitgeber durchsetzbar sind.

Pia-Alexandra Kappus

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Update Arbeitsrecht 2024: Die wichtigsten Änderungen im Arbeitsrecht im kommenden Jahr!

Wie auch in den Jahren zuvor, bringt der unaufschiebbare Jahreswechsel zahlreiche, rechtliche Änderungen mit sich, die das Arbeitsrecht betreffen. Im Jahr 2024 müssen sich Arbeitgeber und Beschäftigte insbesondere Änderungen in den Bereichen der Entlohnung, der Integration von Schwerbehinderten sowie der Weiterbildung stellen.

Welche wichtigen Gesetzesänderungen oder -vorhaben das nun sind, haben wir für Sie nachfolgend in Stichpunkten zusammengefasst:

  •  Das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes

 Das am 13. Juni 2023 verkündete „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes“ tritt überwiegend mit Wirkung zum 01. Januar 2024 in Kraft. Dabei verfolgt das Gesetz mit seinen darin geregelten Maßnahmen die Arbeitsmarktintegration und -sicherung von schwerbehinderten Menschen. Eine wesentliche Änderung liegt in der Erhöhung der sog. Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber.

Besteht danach für den Arbeitgeber eine Beschäftigungspflicht von schwerbehinderten Menschen und wird die vorgeschriebene Anzahl der zu beschäftigenden, schwerbehinderten Menschen nicht erreicht, so sind Arbeitgeber nach § 160 Abs. 1 S. 1 SGB IX verpflichtet, eine sog. Ausgleichsabgabe zu zahlen. Mit dem Gesetz wurde nunmehr eine zusätzliche Ausgleichsabgabepflicht eingeführt, für den Fall, dass Arbeitgeber ihrer Beschäftigungsverpflichtung überhaupt nicht nachkommen. Arbeitgeber werden nunmehr eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen, wenn die Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Menschen in ihrem Unternehmen bei 0 % liegt. Diese Ausgleichsabgabe wurde auf 720 EUR pro Monat für jeden nicht besetzten Pflichtarbeitsplatz festgesetzt. Sie ist erstmalig zum 31. März 2025 zu zahlen, wenn eine Ausgleichsabgabe für das Jahr 2024 fällig wird. Im Übrigen wurde eine Anpassung der bereits bestehenden Ausgleichsabgabesätze vorgenommen, welche ebenfalls ab dem 1. Januar 2024 Wirkung entfaltet.

  • Erinnerung: Möglichkeit der Zahlung Inflationsausgleichsprämie

 Seit dem 26. Oktober 2022 haben Arbeitgeber die Möglichkeit ihren Beschäftigten eine sog. Inflationsausgleichsprämie in Höhe von bis zu EUR 3.000 steuer- und abgabenfrei zu gewähren. In der Ausgestaltung der Zahlungsmodalitäten sind Arbeitgeber grundsätzlich frei, sodass es ihnen überlassen ist, ob sie den Betrag in voller Höhe ausschöpfen oder ob sie Leistungen auf mehrere Teilbeträge aufteilen. Die Möglichkeit einer derartigen Zahlung ist nach Maßgabe des § 3 Nr. 11c EStG noch bis zum 31. Dezember 2024 möglich.

Anzumerken bleibt jedoch, dass es sich bei der Inflationsausgleichsprämie im arbeitsrechtlichen Kontext um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt, sodass Arbeitnehmer hierauf grundsätzlich keinen Anspruch haben. Arbeitgeber dürfen nach jüngster Rechtsprechung ferner unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach sachlichen Gründen differenzieren, welcher „Arbeitnehmergruppe“ sie einen derartigen Inflationsausgleich zukommen lassen und welcher Arbeitnehmergruppe nicht (vgl. ArbG Paderborn, Urteil vom 06.07.2023, Az. 1 Ca 54/23).

  •  Erinnerung: Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes am 17. Dezember 2023

 Das am 02. Juli 2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz regelt im Wesentlichen die Einführung eines Hinweisgebersystems, um Hinweisgeber zu schützen, welche auf Missstände in Unternehmen aufmerksam machen. Die Pflicht zur Einrichtung einer solchen Meldestelle galt für Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern bereits ab dem Inkrafttreten des Gesetzes. Den Unternehmen, welche regelmäßig zwischen 50 und 249 Arbeitnehmern beschäftigen, wurde dagegen eine längere Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 gewährt.

Den Unternehmen, die im kommenden Jahr ihrer Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle nach den Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes noch nicht nachgekommen sind, drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 20.000 EUR.

  • Einführung des Qualifizierungsgeldes

Mit dem im Juli 2023 verabschiedeten Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung wurde unter anderem das sog. Qualifizierungsgeld in den §§ 82a SGB III ff. eingeführt. Bei diesem Qualifizierungsgeld handelt es sich um eine Entgeltersatzleistung, welche von Beschäftigten bei einer beruflichen Weiterbildung ab dem 01. April 2024 von der Agentur für Arbeit bezogen werden kann, wenn die persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Betriebliche Voraussetzungen für den Erhalt des Qualifizierungsgeldes sind u.a. ein strukturwandelbedingter Qualifizierungsbedarf eines nicht unerheblichen Teils der Belegschaft, die grundsätzliche Finanzierung der beruflichen Weiterbildung durch den Arbeitgeber und hierfür entsprechenden Regelungen in einer Betriebsvereinbarung oder eines betriebsbezogenen Tarifvertrages. Mit der Weiterbildung des ungekündigten Arbeitnehmers müssen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die über die arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen. Grundsätzlich können nur Weiterbildungen berücksichtigt werden, die mehr als 120 Stunden dauern. Die Höhe des Qualifizierungsgeldes soll dann 60 bzw. 67 % des durch die Weiterbildung entfallenden Nettoentgeltes betragen.

  •  Lohn und Gehalt

 1. Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns

Am 24. November 2023 wurde die Vierte Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (MiLoV4) durch die Bundesregierung erlassen. Zum 01. Januar 2024 steigt der Mindestlohn danach von 12,00 EUR brutto auf 12,41 EUR brutto pro Arbeitszeitstunden an. Diese Festlegung entspricht dem Vorschlag der Mindestlohnkommission.

2. Anhebung der Verdienstgrenze der geringfügig Beschäftigten (sog. Minijobber)

Mit dem Anstieg des Mindestlohns geht ebenfalls ab dem 01. Januar 2024 ein Anstieg der Geringfügigkeitsgrenze einher. Unter die geringfügig entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV fällt danach ab dem 01. Januar 2024 eine Beschäftigung, bei welcher das Arbeitsentgelt einen Betrag von 538,00 EUR monatlich nicht übersteigt. Zuvor lag die Geringfügigkeitsgrenze bei 520,00 EUR, sodass sog. Minijobber im kommenden Jahr insgesamt 18,00 EUR pro Monat mehr verdienen dürfen, ohne dass Abgaben zur Sozialversicherung anfallen.

 3. Anhebung der Mindestlöhne für Auszubildende

Auch Auszubildende dürfen sich auf das kommende Jahr freuen, denn die in § 17 Abs. 2 Berufsausbildungsgesetz festgelegten Mindestausbildungsvergütungen für Auszubildende eines nicht tarifgebundenen Ausbildungsbetriebs steigen ab dem 01. Januar 2024 an. Die Mindestvergütung im ersten Ausbildungsjahr erhöht sich danach von 620,00 EUR auf 649,00 EUR.

Die einzelnen Mindestvergütungen der jeweiligen Ausbildungsjahre können in § 17 Abs. 2 BBiG eingesehen werden.

Wenn Sie zu den einzelnen Punkten Rückfragen haben, sprechen Sie uns gerne an:

Wir haben keine Angst vor Veränderungen wir gestalten sie mit.

von Pia Kappus u. Julia Skladanowski