Was wenn der Arbeitgeber dieses Jahr kein Weihnachtsgeld zahlt?

Das Weihnachtsfest und Silvester 2022 stehen vor der Tür.

2022 war ein Jahr geprägt von ökonomischen Krisen, von Krieg, von Öl- und Gasknappheit sowie von stark steigenden Preisen. Das verschärft die Bedeutung des Weihnachtsgeldes sowohl für Arbeitgeber, die wegen der hohen Energiekosten dringend Einsparpotential suchen, als auch auf Seite der Arbeitnehmer, die auf das Weihnachtsgeld warten, um die gestiegenen Kosten wenigstens teilweise kompensieren zu können.

Doch was gilt, wenn die Überweisung plötzlich ausbleibt oder nur die Kollegen eine Zahlung erhalten? Habe ich überhaupt einen Anspruch auf das häufig auch als „13. Gehalt“ bezeichnete Geld? Diese Frage beschäftigt die Arbeitsgerichte durch alle Instanzen jedes Jahr aufs Neue. So hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg (Urteil vom 22.02.2022, Az. 11 Sa 46/21) bereits im Februar 2022 einen Fall zu entscheiden, in dem einem langzeiterkrankten Arbeitnehmer kein Weihnachtsgeld ausgezahlt wurde.

Der Kläger, der in einem Betrieb mit sieben Arbeitnehmern seit dem Jahr 2003 beschäftigt war, machte Ansprüche auf Weihnachtsgeldzahlung für die Jahre 2018 bis 2020 geltend. Er war seit Dezember 2017 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber hatte ihm von Beginn des Arbeitsverhältnisses an, also über 14 Jahre hinweg, vorbehaltlos Weihnachtsgeld gewährt. Im Jahr 2017 enthielt die Überweisung das erste Mal den Zusatz „freiwillig“ und im darauffolgenden Jahr 2018 blieb die Zahlung ganz aus.

Die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen, hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Arbeitnehmer den überwiegenden Weihnachtsgeldanspruch zugesprochen. Dazu führte es in seinem Urteil aus, dass eine über den vertraglich vereinbarten Lohn hinausgehende Sonderzahlung den Arbeitgeber bei regelmäßigem Gewähren dieser Gratifikation auch zu zukünftigen Zahlungen verpflichte. Dies folge schon aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung. Eine betriebliche Übung entstehe gerade durch regelmäßige Zahlungen.

Das LAG hat die Klage in der Berufung abgewiesen und damit die Streichung des Weihnachtsgeldes durch den Arbeitgeber als berechtigt angesehen. Zwar geht auch das LAG im vorliegenden Fall von einer betrieblichen Übung des Arbeitgebers aus, weil er über viele Jahre hinweg an den Arbeitnehmer Weihnachtsgeld gezahlt hat. Daran ändert nach Auffassung des LAG auch der im Jahr 2017 erstmals aufgeführte Zusatz „freiwillig“ nichts. Eigentlich wäre der Arbeitgeber in einem solchen Fall zur Zahlung des Weihnachtsgeldes verpflichtet. Nach ständiger Rechtsprechung auch des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann ein auf betrieblicher Übung basierender Anspruch nur durch eine Änderungskündigung oder individuelle Vereinbarung außer Kraft gesetzt werden. Für das LAG war vielmehr entscheidend, dass der Arbeitnehmer dauerhaft erkrankt war und deshalb seit 2018 keine Arbeitsleistung mehr erbracht hat. Im Arbeitsvertrag war die Auszahlung des Weihnachtsgeldes nicht an einen besonderen Zweck geknüpft wie etwa eine Halte-, Treue-, Sauberkeits- oder Freundlichkeitsprämie. Deshalb sei davon auszugehen, dass das Weihnachtsgeld allein als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung gewährt wurde. Diese Leistungen habe der Kläger infolge seiner fortgesetzten Arbeitsunfähigkeit eben gerade nicht erbracht, so dass er auch keinen Anspruch auf ein Weihnachtsgeld habe.

Ob das rechtlich richtig ist, wird des BAG demnächst im Verfahren 10 AZR 116/22 entscheiden. Es bleibt abzuwarten, ob die vom LAG vorgenommene Auslegung des Zwecks der Zahlungen durch den Arbeitgeber Bestand haben wird.

In den meisten Fällen, in welchen es Streit um das Weihnachtsgeld gibt, kommt es auf Ihren individuellen Arbeitsvertrag an und darauf, ob tarifvertragliche Regelungen gelten oder eine bestehende Betriebsvereinbarung im konkreten Einzelfall eingreift. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass der Arbeitgeber ein über Jahre gezahltes Weihnachtsgeld auch dann nicht so einfach „streichen“ kann, wenn er es als „freiwillig“ bezeichnet.

Es lohnt sich also stets, fachanwaltlichen Rat einzuholen, wenn auf Ihrer Gehaltsabrechnung das Weihnachtsgeld fehlt. Wir haben schon zahlreiche solcher Fälle bei Gericht erfolgreich vertreten und beraten Sie gern.

Wir wünschen Ihnen eine schöne Adventszeit und ein frohes Weihnachtsfest

Pia-Alexandra Kappus

Fachanwältin für Arbeitsrecht